MARSEILLE 128 FRANKREICH | EURO 2016 Die Wirtschaftskrise als Dauerzustand Anfangs des 20. Jahrhunderts zähltMarseilleeinehalbeMillionund wächstweiter,nichtzuletztdurchdie Ankunft massiver Migrantenströme aus Italien, später aus Asien und Nordafrika.DasEndedesfranzösischen Kolonialreichs, zusammen mit der SchließungdesSuezkanals1956,trifft dieStadthart.VondiesemSchockhat siesichseithereigentlichnichtmehr erholt;diewirtschaftlicheKriseistzu einerArtDauerzustandgeworden. KaumeinerhatdiesesLebens- gefühl besser illustriert als der Regisseur Robert Guédiguian, des- senFamiliennameaufdiearmenischen Wurzeln seiner Vorfahren hinweist unddessenFilmeallesamtinL’Estaque angesiedelt sind, einem Arbeiter- viertel in der Nordstadt. Sie zeigen anhand dieses Mikrokosmos bei- spielhaft auf, wie das gemeine Volk vonMarseillevonderKrisegebeutelt wird,seiesdurchdasVerschwinden der Arbeitsplätze in der Industrie, die schleichende Verarmung oder den Aufstieg der Rechtsextremen aus dem Front National. Dieselben Missstände werden auch von Jean-Claude Izzo (1945- 2000)inseinerberühmtenKrimi-Tri- logie in Szene gesetzt. Unter den müden Augen des Protagonisten Fabio Montale entfalten sich die sozialen Probleme der Stadt, ihre Schwierigkeiten, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen, sowie die Unfähigkeit der Regierenden, übergroßangelegteImmobilienpro- jektewiedas„Euroméditerranée“in den alten Docks hinauszudenken. Die drei Romane – Total Khéops, Chourmo und Soléa – sind alle auf Deutsch erhältlich und stellen eine ebensoaufschlussreichewieunter- haltsame Vorbereitung eines Mar- seille-Besuchs dar. Heute erfindet sich die Stadt neu. Die Auszeichnung als europä- ischeKulturhauptstadt2013hateine Reihe positiver Veränderungen angestoßen, sowohl kultureller als städtebaulicher Art. Auf Entdeckungsreise EinStarderlokalenMusikszene, die„rappeuse“KenyArkana,beklagt in dem Clip „Marseille, Hauptstadt derUmbrüche“sogareineeinsetzende