FRANKREICH | EURO 2016 149 Spieler findet, die französische Liga selber aber kaum von den besten Produkten ihrer Ausbil- dungszentren profitiert. Die Verankerung des Fußballs in der nationalen Kultur Der größte Unterschied zwischen dem deutschen und französischen Fußball ist jedoch kultureller Art. Paul Dietschy, einer der renom- miertesten Fußball-Historiker weltweit, der an der Universität in Besançon lehrt, fasst das französische Dilemma in wenigen Worten recht treffend zusammen: „Der Fußball ist zwar auch bei uns klar der SportNummer1,aberimGegensatzzuDeutsch- landisterniewirklichzum‚Nationalsport‘gewor- den. Es gibt bei uns eben nicht diese alle Gesell- schaftsgruppenübergreifendeFußball-Leidenschaft wiebeimanchenunsererNachbarn.Dasmagam traditionellenZentralismusunseresLandesliegen, amrelativenschwachenInteresseunseresKapi- talismusfürdenFußball,anderGeringschätzung fürdiesesSpielvonSeitenderElitenundIntellek- tuellen oder an der starken Konkurrenz anderer Sportarten wie Radsport oder Rugby.“ Tatsächlichistesaufschlussreich,derFrage des Ansehens des Fußballs bei den intellektu- ellen Eliten nachzugehen. Von den kulturellen MeinungsführerndesPariserMikrokosmos,der in Frankreich den Ton angibt, wurde auf den Fußball jahrzehntelang nur verächtlich herun- tergeblickt. Er galt als Proletarier-Sport, wurde als vulgäres Vergnügen abgestempelt, wenn nichtgarals„OpiumdesVolkes“gebrandmarkt. Wer auf sich hielt, der interessierte sich für aristokratische Sportarten wie Fechten, Reiten, oder Rudern, eventuell noch fürs Rugby oder Boxen.EinIntellektueller,dersein„Coming-out“ als Fußballfan riskierte, erntete gehobene AugenbrauenundherablassendeBemerkungen. Fußball-Historiker Paul Dietschy von der Univer- sität Besançon.